„Eine bloße Unterdrückung der Gefühle ist ebenso wenig ein Heilmittel, wie Enthauptung gegen Kopfschmerzen.“ (C.G.Jung)
„Wie es bei uns im Team zugeht? Ich drücke es einmal in einem Bild aus: Wenn wir am Tisch sitzen, dann ist es auf der Oberfläche freundlich und sachlich. Unter der Tischoberfläche hauen wir uns aber gegen das Schienbein. Es gibt Unstimmigkeiten, über die nicht offen kommuniziert wird. Aber deswegen sind sie ja nicht weg“, erzählt ein Kollege.
Gefühle haben in unserer Kultur keine große Lobby. Immer wieder hört man, dass es in einer Abteilung zugeht wie im „Kindergarten“. Die Leute sollen sich endlich „erwachsen“ benehmen und „sachlich“ miteinander umgehen. Man verkennt dabei, dass der „Kindergarten“ meist dadurch entsteht, dass wir nicht gelernt haben, mit unseren Gefühlen konstruktiv umzugehen. Wir kommen emotional nicht dadurch in Balance, dass wir unsere Gefühle unterdrücken und so tun, als gäbe es sie nur im Privaten. Diese Haltung führt bspw. dazu, dass die Stimmung im Team immer mehr „einfriert“. Doch dabei muss man ständig in Angst leben, dass die Gefühle unkontrolliert ausbrechen. Denn wenn sie dies tun, dann meist im falschen Moment. Und dann fühlt man sich wie im Kindergarten, weil ein Verhalten übertrieben und unangemessen erscheint.
Unsere Gefühle entstehen im Alltag meist durch unsere gedanklichen Bewertungen von Situationen. Wenn die Gedanken ständig um einen negativen Vorfall kreisen z.B. „Wie konnte das nur passieren?“ oder „Das ist nicht fair!“, verstärken diese negativen Gedanken die negativen Gefühle. Wenn wir uns bewusst machen, wie unsere Bewertungen von Situationen zustande kommen, können wir unsere Emotionen besser steuern. Wir können lernen, durch unsere eigene Bewertung – unserer „Wahr-gebung“ – der Situation unsere Gefühle zu regulieren. Sie können sich also fragen:
Gefühle sind eine Realität. Wie kann man mit ihnen konstruktiv umgehen? Einige Ideen hierzu:
Wir Menschen haben in der Regel ein großes Bedürfnis danach, uns wohl zu fühlen. Oft richten wir uns im Alltag so ein, dass wir emotional in keine größeren Schwierigkeiten geraten. Im Glauben daran, alles unter Kontrolle zu haben, fühlen wir uns gewappnet — bis etwas Unvorhergesehenes passiert. Wir sollten es uns nicht zum Anspruch machen, einen Dauerzustand von emotionaler Balance herzustellen. Trotzdem können wir uns bewusst darüber werden, dass alle Emotionen ihren Wert haben. Es gibt verschiedene Modelle der Grundbedürfnisse. Eines davon stammt von Vivian Dittmar. Sie unterscheidet fünf Basisgefühle:
Dem Gefühl der Angst bekommt eine besondere Rolle zu. Der Wunsch, sicher zu sein und zu überleben ist für den Menschen grundlegend. Dafür sorgt das Angstgefühl, um auf keinen Fall dem Scheitern, Versagen oder sogar dem Tod zu begegnen. Kein anderes Gefühl scheint den Menschen so zu steuern wie die Angst. Dies hat man in der „heißen Phase“ der Coronakrise gespürt. Die Angst kann natürlich zum Verhängnis werden, wenn sie nicht mehr so ganz realistisch ist. Wenn wir uns nur noch in der eigenen „Komfortzone“ bewegen und nicht mehr „raus“ trauen, wird das persönliche Wachstum wie auch die Lebendigkeit eingedämmt. Viele Menschen mögen das Gefühl der Angst nicht und reagieren aus Angst wieder mit Angst: Dies ist die Angst vor der Angst. Dies zu erkennen ist sehr wichtig, denn letztlich will jedes Gefühl einfach nur gefühlt werden. Unterdrücken wir das Basisgefühl Angst, äußerst es sich in sinnlosem Sich-Sorgen-Machen und in Panik. Was macht Ihnen Angst? Was hilft Ihnen bei Ihrer Angstbewältigung?
Die Wut wird gesellschaftlich eher nicht geschätzt sondern eher verachtet. Sie wird Kindern meist schon früh aberzogen, damit sie brav und ruhig sind. Aber jeder weiß insgeheim, dass ein braves und angepasstes Leben schnell langweilig und leblos wird. Das Basisgefühl der Wut ist dazu da, dass wir feststellen, was wir wollen und was nicht. So kann die Wut dazu führen, dass wir etwas in unserem Leben verändern und uns für die Wahrung der eigenen Grenzen einsetzen. Setzt man Wut konstruktiv ein, richtet man sie auf Dinge, die man auch tatsächlich verändern kann. Auf Dinge, die man nicht verändern kann, reagiert man lieber mit Trauer. Sonst fühlt man eine ohnmächtige Wut und diese führt zu (Selbst-) Zerstörung. Was hilft Ihnen, um an Ihre Wut zu kommen und diese konstruktiv einzusetzen?
Sie ist dafür da, Dinge abzuschließen, die wir nicht mehr ändern können. Entsteht eine als negativ erlebte Veränderung, so bringt es keine Heilung, wenn wir endlos mit Wut reagieren. Dann steht eine Trauerphase an, um dieses Ereignis abzuschließen und das eigene Leben wieder glücklich und lebendig zu leben. Wenn wir in der Wut stecken bleiben, gehen wir damit dem eigenen tieferliegenden Schmerz aus dem Weg und bewegen uns emotional nur an der Oberfläche. So macht es Sinn, den Schmerz der Trennung zu durchfühlen. Dann ist die Trauer durchfühlt und der Raum ist wieder frei für Freude und das lebendige Sein. Was macht Sie traurig? Wo und wie können Sie trauern?
Die natürliche Freude geht im Moment auf und erfreut sich an allem. Da reicht schon ein Sonnenstrahl oder ein Marienkäfer, den wir bestaunen. Sind wir nicht in der Lage, uns an den „einfachen“ Dingen im Leben zu erfreuen, liegt das oft an einem verschlossenen Herzen und unterdrückten Gefühlen von Angst, Groll und Traurigkeit, die darauf warten, endlich gelöst und gefühlt zu werden. Unser Gehirn ist eher darauf ausgerichtet, Dinge wahrzunehmen, die falsch, furchtbar oder schade sind (weil das dem Überleben dient). Wir müssen also unsere Aufmerksamkeit bewusst auf das Richtige und Schöne in unserem Leben lenken, wenn wir mehr Freude im Leben haben wollen. Worüber freuen Sie sich? Wofür sind Sie dankbar?
Alle anderen Basisgefühle beziehen sich auf das Außen. Eine Situation wird dabei als richtig, falsch, fürchterlich oder traurig interpretiert. Die Scham ist das Gefühl, das sich auf sich selbst bezieht. Der Sinn besteht darin, dass wir unser eigenes Verhalten in Frage stellen und uns selbst hinterfragen. Damit beugen wir vor, dass wir z.B. nicht durch egoistisches Verhalten die Gemeinschaft verlieren, sondern in einem lebendigen Kontakt mit der Umwelt bleiben. Auch hier ist das richtige Maß entscheidend. Denn übertriebene Scham verhindert die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Das richtige Maß kann man dabei auch nur selbst finden, indem man je nach Situation in sich hineinspürt und intuitiv das Richtige in seinem Herzen fühlt. Kann ich Kritik sachlich annehmen, ohne mich zu schämen? Wer (oder was) sagt mir, dass ich „richtig“ bin?